Die Bibel ist nicht Gottes Wort

Diesen provozierenden Titel habe ich gewählt, um zur Freiheit von einer Sklaverei zu führen, die sich allmählich seit Jahrhunderten aufgebaut hat. Was viele behaupten, muss nicht richtig sein. Lesen Sie den Artikel in Ruhe durch, um zu erkennen, was ich ausdrücken möchte, denn eine Heilung geschieht immer durch das Wort.

  Das Wort Gottes hat ein klares, einfaches Kriterium: es ist wirksam. Es hat Kraft. Es kann Situationen verändern. So heißt es in Luk. 1, 37: (Bei Luther wird der Inhalt leider verzerrt): Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Korrekt: Denn kein Ausspruch von Gott her wird kraftlos sein.

  Die Definition in Hebr. 4, 12 ist ansprechend: Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.

An dieser Stelle möchte ich zunächst den Begriff „Wort Gottes“ erläutern, denn es hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine Definition verbreitet, die einfach falsch ist: Die Bibel ist Gottes Wort. Dazu braucht man nur die Definition des Hebräerbriefes zu nehmen. Es wird doch etwas beschrieben, was an dieser Stelle selbst nicht greifbar ist. Es wird doch auf eine Wirksamkeit verwiesen, die diese Zeilen nicht haben. Es wird etwas beschrieben, das in sich eine Kraft haben muss. Eine besonders schöne AT-Definition findet sich in Jes. 55, 8-11: (8). Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, (9) sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. (10) Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, (11) so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

 Auch hier wird wieder die wirksame Kraft beschrieben, die man doch nicht drucken kann. Das Wort Gottes ist jeweils in einer bestimmten Situation wirksam und kann nicht einfach übertragen werden. Beispielsweise sagt der Prophet Elisa dem Aramäer Naaman (2. Könige. 5, 10) zur Behandlung von Aussatz: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.

  Wenn jetzt andere Personen ebenfalls an Aussatz leiden, werden sie nicht gesund, weil sie nach Israel an den Jordan fahren und sich sieben Mal untertauchen. Das Wort Gottes galt nur dem Syrer Naaman, für den es die Kraft hatte, die ihn vom Aussatz befreite. Für ihn allein war es „Wort Gottes“.

  An einigen Stellen in der Bibel wird beschrieben, wie sich „Wort Gottes“ verstehen lässt. 1. Sam 3, 1: Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem HERRN diente unter Eli, war des HERRN Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung. Hier ist der Parallelbegriff Offenbarung aufschlussreich. Gott teilt jemandem etwas mit, das für eine andere Person wichtig ist. Vergleichbar ist im NT die prophetische Rede in 1. Kor 14.

  Aus der apokryphen Literatur ist besonders die Weisheit Salomos 18, 14-16 erwähnenswert: (14) Denn als alles still war und ruhte und eben Mitternacht war, (15) fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel herab, vom königlichen Thron, ein harter Kriegsmann, mitten in das Land, das zugrunde gerichtet werden sollte. (16) Er trug ein scharfes Schwert, nämlich dein unerbittliches Gebot, und trat hin und erfüllte alles mit Toten, und obwohl er auf der Erde stand, berührte er doch den Himmel.

  Auf Jes. 9,7 soll hingewiesen werden, denn es wird geradezu substanzhaft vom Wort geredet: Der Herr hat ein Wort gesandt wider Jakob, und es ist in Israel niedergefallen,

  Besonders interessant ist, wenn das Wort in Ps. 107, 20 zur Heilung geschickt wird: (17) Die Toren, die geplagt waren um ihrer Übertretung und um ihrer Sünde willen (18) dass ihnen ekelte vor aller Speise und sie todkrank wurden, (19) die dann zum HERRN riefen in ihrer Not. Und er half ihnen aus ihren Ängsten (20) er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, dass sie nicht starben.

  Dazu möchte ich Mt. 8, 5-13 (par. Luk. 7,1-10) anführen, auch wenn es nach den üblichen Übersetzungen keine Gemeinsamkeiten gibt. Vers 8 ist deshalb gegenüber Luther verändert. Mt. 8, 5-13: (5) Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn (6) und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. (7) Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. (8) Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur zu einem Wort (ἀλλὰ μόνον εἰπὲ λόγῳ), so wird mein Knecht gesund. (9) Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s. (10) Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! (11) Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; (12) aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern. (13) Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

 Alle mir bekannten Kommentare übersetzen Vers 8 „sprich nur ein Wort“ (Luther und Einheitsübersetzung) oder vergleichbar. Wörtlicher übersetzt Menge: „sprich mit einem Wort“. Auch die Parallelstelle im Evangelium nach Lukas 7,7 hat einen Dativ. Man spricht einen Akkusativ, aber mit /zu einem Dativ. Genau dieselbe grammatische Konstruktion wie Mt. 8,8 (ἀλλὰ μόνον εἰπὲ λόγῳ) ist auch in Mt. 8,16(ἐξέβαλεν τὰ πνεύματα λόγῳ) anzutreffen und wird bei Luther übersetzt: „er trieb die Geister aus durch sein Wort“, in der Einheitsübersetzung: „Er trieb mit seinem Wort die Geister aus“. „Zu einem Wort“ wollen die Ausleger in Mt. 8,8 nicht übersetzen, während „ein Wort sprechen“ schon in unseren Sprachgebrauch eingedrungen ist. Aber richtig überdacht ist die Übersetzung „zu einem Wort“ sehr sinnvoll. Wenn man nämlich Vers 9 liest, wird der parallele Gebrauch zu Knecht offensichtlich. So wie der Hauptmann zu seinen Soldaten oder seinem Knecht spricht, soll Jesus zu einem Wort sprechen: er soll befehlen, dass das Wort etwas ausführt, genau wie der Knecht seine Befehle vom Hauptmann erhält. Jetzt wird auch der Zusammenhang mit Ps. 107 klar: wie Gott sein Wort zur Heilung geschickt hat, so kann auch Jesus sein Wort senden, um Leute zu heilen.

  Auch heute noch kann nur einer heilen, dessen Berechtigung dazu mit dem Kreuz von Golgatha erworben wurde. Vielleicht kann jemand helfen, diese Heilung zu erfahren, aber das Wort dazu wird immer von Jesus ausgehen müssen.

  Einen aufschlussreichen Gebrauch von „Wort Gottes“ gibt es auch in Apg. 6, 7 und 12, 24 und 19,20: 6,7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. 12,24 Und das Wort Gottes wuchs und breitete sich aus. 19,20 So breitete sich das Wort aus durch die Kraft des Herrn und wurde mächtig. Ganz bestimmt wurden die Bibeln nicht dicker, sondern die Kraft Jesu nahm zu!

 Es ist doch eine Beleidigung Gottes, wenn sein vollkommenes, wirksames Wort mit einem jämmerlichen Buch verwechselt wird.